Die familiär geführte Traditions-Metzgerei gehört zu den erfolgreichen, regelmäßig ausgezeichneten Handwerksbetrieben in Bayern. Und das, obgleich Oliver Lutz ein Befürworter für weniger Fleisch auf dem Tisch ist. Wie passt das zusammen?
Starnberger Seeleben: Herr Lutz, dass Ihnen als Metzger-Innungsmeister das Handwerk am Herzen liegt, erscheint logisch. Dass Sie gleichzeitig für eher reduzierten Fleischkonsum und Tierwohl plädieren, wirkt ungewöhnlich ...
Oliver Lutz: … ist aber genauso logisch. Bei allem geht es um Bewusstsein und Wert. Im Kern steht die Wertschätzung für die Natur, für die Bauern und Landwirte, für die Tiere. Gute Lebensmittel entstehen nur unter guten Voraussetzungen. Gesunde Böden, gutes Futter, gute Lebensbedingungen, stressfreie Schlachtung. Wollen wir wirklich gute Lebensmittel essen, geht Qualität vor Quantität – das ist sowohl gesünder wie schmackhafter.
Starnberger Seeleben: Und Ihre Fleischlieferanten erfüllen diese Voraussetzungen?
Oliver Lutz: Ja, wir achten darauf, dass alles, was wir in unserer Metzgerei verarbeiten, ebenso wie die Produkte unseres Feinkostsortiments dieser Haltung entspricht. Wir kennen die Höfe, Bauern und Hersteller. Wir wissen, wie sie anbauen, welches Futter sie ihren Tieren geben, wie die Tiere auf den Höfen und Weiden leben. Mit vielen verbindet uns eine langjährige partnerschaftliche Zusammenarbeit und auch bei neuen Lieferanten nehmen wir uns die Zeit, sie sorgfältig auszuwählen und kennenzulernen.
Starnberger Seeleben: Es wirkt so, als wenn die Herausforderungen insgesamt zunehmen – dem Handwerk fehlt es an Nachwuchs, den Läden an Mitarbeitern, Landwirte, Bauern und Metzger müssen mehr und mehr Auflagen erfüllen, Energiekosten steigen.
Oliver Lutz: Ja, die Gemengelage hat sich in den letzten Jahren zugespitzt. Ob Metzgerhandwerk oder Verkauf: der Bedarf an qualifizierten Kräften ist größer als das Angebot. Wir sehen zwar, dass Handwerk wieder Auftrieb bekommt und die Wertschätzung für Handwerksberufe wieder zunimmt, was sicherlich auch daran liegt, dass der Mangel nun auf allen Ebenen spürbar wird – Reparatur- und Bauvorhaben nicht ausgeführt werden können, Installateure keine Termine frei haben – aber noch ist die Welle neuer Arbeitskräfte nicht da. Allerdings steckt auch in Problemstellungen meistens Potenzial für gute Veränderungen.
Starnberger Seeleben: Was wäre das zum Beispiel?
Oliver Lutz: Die Pandemie hat beispielweise Viele zum Nachdenken über Lebensqualität und Ernährung angeregt. Die Probleme des Klimawandels und Kriegs haben zu Preissteigerungen und Verknappungen geführt, die das Bewusstsein für Zusammenhänge und Werte bei Verbrauchern schärfen. Konkret kam dadurch weniger Kunstdünger aus der Ukraine auf die Felder und der Fleischkonsum hat abgenommen, weil auch beim Discounter die Preise gestiegen sind. Weniger Gift und weniger Tierbestand entspannen die Natur. Auch wir mussten notwendige Anpassungen vornehmen. konnten diese aber nutzen, um uns konsequent auf unserem Qualitätsweg weiterzuentwickeln.
Starnberger Seeleben: Gibt es auch dafür ein Beispiel?
Oliver Lutz: Ja, sicher. Der allerorts spürbare Personalmangel macht leider auch vor unserer Tür nicht halt. In der Metzgerei reduzieren wir daher die Zahl der hier vor Ort geschlachteten Tiere und fokussieren uns in der hauseigenen Schlachtung in Pöcking auf Lämmer und Kälber. Schweine und Rinder von unseren ausgesuchten Höfen lassen wir künftig noch näher an ihrem bisherigen Lebensort schlachten. Damit wird der Transportweg für das Tier noch kürzer, noch stressfreier und entspricht unserem Wunsch eines möglichst optimalen Kreislaufs von Aufzucht bis Schlachtung.
Starnberger Seeleben: Ändert sich dadurch, dass weniger vor Ort geschlachtet wird, etwas am Sortiment?
Oliver Lutz: Nein. Fleischverarbeitung, Wurst- und Spezialitäten-Herstellung bleiben wie bisher im Haus. Und Neues findet in unserem Sortiment, sofern es zu unserer Qualitätsphilosophie passt, ohnehin immer wieder Raum. Das gilt für Feinkostprodukte ebenso wie für Fleischspezialitäten, zum Beispiel beziehen wir jetzt exzellente Strohschweine aus Altötting, die beweisen, wie viel Lebensweise, Fütterung und stressfreie Schlachtung geschmacklich ausmachen. Sie haben einen knackigen, kompakten Speck, der in Biss und Aroma einzigartig ist.
Starnberger Seeleben: Unverändert ist auch Ihre Struktur als Familienbetrieb. Macht das die Arbeit leichter oder schwieriger?
Oliver Lutz: Eindeutig leichter. Es bedeutet eine ganze Menge an Vorteilen. Die Kommunikation ist kürzer und schneller, man kann sich hundertprozentig aufeinander verlassen, ist eingespielt und flexibel. Dadurch, dass wir eine Traditionsmetzgerei in zweiter Generation betreiben, profitieren wir außerdem enorm von dem Wissens- und Erfahrungsschatz der Familie. Meine Mutter stammt ursprünglich aus Regensburg, mein Vater aus Bad Hersfeld, beide mit Metzgereihintergrund. Was sie aus ihren Familien und Regionen an Rezepturen und Herstellungsarten mitgebracht haben, gehört heute zu unserem Rezepte-Schatz für hausgemachte Lutz-Spezialitäten. Gewürzmischungen wie unser Bratengewürz und unser Grillgewürz sind echte Familienklassiker.
Starnberger Seeleben: Liegt darin das Erfolgsgeheimnis, warum Sie mit Ihren Erzeugnissen beim Metzger Cup jedes Jahr Bestnoten erzielen?
Oliver Lutz: Beim Metzger Cup ist mehr Transparenz als Geheimnis gefragt. Der Fleischerverband Bayern nimmt in seiner jährlichen Qualitätsprüfung die Erzeugnisse bayerischer Metzgereien sehr genau unter die Lupe. Alle eingereichten Produkte müssen höchste Qualitätskriterien erfüllen, um eine Auszeichnung zu erhalten. Aber eine Prise Geheimnis gehört natürlich auch dazu. Genau das macht es interessant und vielfältig: dass jede Metzgerei mit eigenen Rezepturen arbeitet.
Starnberger Seeleben: In diesem Jahr hat der Verband in einer Sonderedition mit Grill- und BBQ-Produkten eine Ihrer Kernkompetenzen geprüft, konnten Sie punkten?
Oliver Lutz: Bei uns haben Grillen und BBQ immer schon eine große Rolle gespielt und wir haben uns sehr gefreut, dass der Verband es als Schwerpunktthema gewählt hat. Als die Ergebnisse kamen, hat sich die Freude verdoppelt. Wir haben in sämtlichen Bereichen mit Höchstpunktzahl abgeschnitten.
Starnberger Seeleben: Was macht denn glücklicher – diese Auszeichnungen oder Lob von Kundinnen und Kunden?
Oliver Lutz: Auszeichnungen wie die beim Metzger Cup oder die des Feinschmeckers machen uns stolz und bestätigen uns in der Art und Weise unserer Arbeit. Es sind Adelsprädikate der Branchen-Experten. Aber echtes Lob von Angesicht zu Angesicht, der Zuspruch von Stammkunden, sind essenzielle Anerkennung von denen, die am wichtigsten sind – alles, was wir tun, machen wir ja für unsere Kunden.