Mit Vorliebe für Unbequemlichkeit

Bürgermeisterwahl 2026 in Starnberg. Als einzige Frau und erste Gegenkandidatin hat Anke Henniger den Hut in die Runde geworfen. Warum?

2026 stehen in Starnberg wieder Bürgermeisterwahlen an. Als erste Gegenkandidatin zum amtierenden Bürgermeister hat Anke Henniger ihren Hut in den Ring geworfen. Was motiviert die derzeit einzige Frau im Bewerberfeld, an die Spitze der Stadt treten zu wollen? (Fotos: Sophia Kat Zee Mueller)

Starnberger Seeleben Die Finanzlage der Stadt ist klamm, langjährige Projekte stagnieren, bislang ungelöste Probleme gibt es zuhauf. Woher nehmen Sie in dieser Gemengelage den Mut, als Bürgermeisterkandidatin anzutreten?

Anke Henniger Als ich vor einigen Jahren im Interview mit dem Starnberger Merkur gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, als Bürgermeisterin zu kandidieren, war das für mich nicht denkbar.  Aber irgendwo existierte dieses Bild wohl, denn die Frage wurde immer wieder an mich herangetragen und dann zu einem Gerücht, bis es auch mich nicht mehr losließ.  Dann habe ich es mit anderen und zuhause diskutiert. Letztlich gab dieses Gefühl, dass Starnberg im Stillstand festhängt, den Ausschlag. Wenn ich die Defizite hier bemängele, muss ich auch bereit sein, sie in voller Verantwortung anzugehen.

Starnberger Seeleben Nachdem Sie Ihre Kandidatur bekanntgegeben haben, zogen recht schnell weitere Kandidaten nach.  Damit kommt jetzt bereits Wind ins Wahlkampfgeschehen. Haben Sie den schon zu spüren bekommen?

Anke Henniger Vor allem habe ich viele positive Reaktionen erfahren. Insgesamt gibt es viele Befürworter, aber natürlich auch Kritiker. Das ist logisch, wer sich in den Wind stellt, dem bläst er ins Gesicht.  Im Wahlkampf muss jede/r damit rechnen, dass alles, was man sagt, seziert wird. Das ist in der Politik so, das muss ich aushalten.

Starnberger Seeleben Die Dauerbrenner Tunnel und Seebahnhof waren schon bei früheren Bürgermeisterwahlen heiße Themen. Von Bürgermeister zu Bürgermeister bleiben diese Themen ungelöst. Wie wollen Sie das realistisch ändern?

Anke Henniger Nicht aufschieben, sondern agieren. Auf kurzen Wegen selbst die Beteiligten ins Boot holen, und pragmatische Gespräche am runden Tisch führen. Wir müssen mehr und klarer miteinander reden, damit gemeinsam sachlich gute Lösungen entstehen können. Die ewige Hängepartie macht keinen zufrieden.

Starnberger Seeleben Ein anderes Thema, das vor allem den Handel umtreibt, ist die Attraktivität der Innenstadt mit wenig Aufenthaltsqualität. Neue Papierkörbe und Blumenkübel sind eher kosmetische Maßnahmen als ein echtes Lösungskonzept.  Wie wollen Sie die Attraktivität der Innenstadt steigern?

Anke Henniger Ich denke, da gibt es bereits gute Ansätze. Mit Konzepten wie beispielweise der Vinologgia sieht man, dass auf unkomplizierte Weise Leben in die Stadt zu bringen ist. Mehr niederschwellige Angebote, mehr Pop up-Konzepte sind ein Ansatz. Aber es gehört auch dazu, mit Vermietern und Händlern gleichermaßen zu sprechen - wo kann man Brücken bauen? Denn gute Voraussetzungen für den Handel gehören auch zur Verantwortung der Stadt. 

Starnberger Seeleben Aber wieviel Gestaltungsmacht haben BürgermeisterIn und Stadtrat eigentlich wirklich? Um nur zwei Beispiele zu nennen: Beim Seebahnhof gibt es verbildliche Verträge mit der Bahn, bei der Umgestaltung des Kirchplatzes begrenzt das Urheberrecht des Architekten die Möglichkeiten …  

Anke Henniger Das ist richtig, es gibt Grenzen. Aber innerhalb von Grenzen existiert ja Raum, den wir nutzen können. Im Stadtrat beginnt das mit einem guten Diskurs, schließlich hat jedes Mitglied individuelle Stärken und Expertisen. Wenn hier ein jeweils sachlich guter Konsens erreicht wird, können wir den Raum im bestehenden gesetzlichen Rahmen optimal ausloten. So etwas geht nur, wenn man immer aktiv und direkt im Gespräch bleibt. Sowohl intern wie nach außen. Man muss es schon ernst meinen und Wege finden, die für alle Beteiligten vernünftig sind. Dazu muss man hartnäckig und leidenschaftlich am Ball bleiben. 

Starnberger Seeleben Sie betonen immer wieder, wie wichtig es ist, den Anliegen von BürgerInnen ernsthaft zuzuhören.  Bürgerwünsche sind aber oft konträr - der eine ist Autofahrer, der andere Radfahrer, die 70jährige hat andere Prämissen als die 17jährige - wie wollen Sie glaubhaft allen unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden?  

Anke Henniger Ich glaube, zuhören ist immer der beste Anfang. Und man darf damit auch nicht aufhören und sich nicht wegducken, wenn‘s unbequem wird. Ich rede mit vielen Menschen auf der Straße, weil dort das gesagt wird, was im Alltag wirklich zählt. Die Nöte von Radfahrern kann ich absolut nachvollziehen, da herrscht in Starnberg derzeit Stückwerk. Ich verstehe auch, dass man es als Autofahrer nicht lustig findet, wenn man beim Arztbesuch keinen praxisnahen Parkplatz findet. Am Ende des Tages muss man gute Kompromisse finden, die für alle akzeptabel sind. Ich habe keine Vorlieben für die eine oder andere Seite. Mir geht es immer um die Sache, die gut umgesetzte Lösung.

Starnberger Seeleben Mit etlichen Problemen Starnbergs haben auch andere Städte und Gemeinden zu kämpfen. Wie aktiv und eng ist eigentlich der Austausch mit anderen BürgermeisterInnen? Man könnte doch voneinander lernen?

Anke Henniger Das passiert bereits. Mit den Bürgermeistern im Landkreis gibt es regelmäßige Bürgermeisterdienstbesprechungen. Darüber wird aber wenig, beziehungsweise nur lückenhaft, in den Stadtrat berichtet. Wie aktiv oder produktiv der Austausch ist, kann ich daher nicht sagen. Mehr Transparenz wäre hilfreich. Generell glaube ich, dass  andere Städte und Kommunen wertvolle Ideengeber sind – was dort funktioniert, kann auch für die eigene Situation eine gute Lösung sein.

Starnberger Seeleben Dass Sie ursprünglich aus Bochum kommen, drei Kinder und am Ende jeder Stadtratsitzung zahlreiche „offene Fragen“ haben, ist hinlänglich bekannt - was wissen wir noch nicht von Anke Henniger?

Anke Henniger (lacht) Ja, dass ich eine Zugereiste bin, wird gern erwähnt. Ich ergänze dann meist, dass ich zwar keine gebürtige, dafür aber Starnbergerin aus Leidenschaft bin. Ich habe diesen Lebensplatz vor zwanzig Jahren aus voller Überzeugung und vollem Herz gewählt. Dass ich neugierig und beharrlich bin, ist auch bekannt. Wie tief mein Blick auf die Schönheit des Alltäglichen ist, und ich damit Wertschätzung und Empathie verbinde, wissen dann eher wenige. Diese Art des Sehens verdanke ich wahrscheinlich meinem Vater, der als Fotograf ein besonderes Auge für Menschen und Momente hatte.

Bürgersprechstunde im Wirtshaus Starnberg, Tutzinger-Hof-Platz

Vor jeder Stadtratssitzung bietet Anke Henniger BürgerInnen die Möglichkeit, Anliegen und Fragen direkt zu platzieren. Die Termine von September bis November 2025:                           

29.09.2025, 27.10.2025 und 24.11.2025, jeweils von 17.00 - 18.00 Uhr

Für weitere Fragen und Infos:https://starnberg-gewinnt.de/