LANDRAT STEFAN FREY
Seit 2020 ist Stefan Frey Landrat des Landkreis Starnberg. 2026 will er, wenn auch die BürgerInnen es wollen, in die Verlängerung gehen. Aber erst einmal haben wir mit ihm einen Blick auf das Hier und Jetzt geworfen, auf Alltag und aktuelle Herausforderungen.
Starnberger Seeleben: Beginnen wir mit einem aufrichtigen Kompliment. Im Gegensatz zu manch anderem Politiker sind Sie lebensnah und alltagsecht - Sie sind zu Fuß oder per Rad in Starnberg unterwegs, kaufen hier ein und scheuen, wenn Sie angesprochen werden, das Gespräch mit Bürgern nicht.
Stefan Frey: Naja, es ist meine Heimat. Ich bin hier geboren und groß geworden. Wir leben als Familie hier, mit allem, was Alltag ausmacht. Begegnungen mit Menschen gehören natürlicherweise dazu, und wenn mich jemand mit einer Frage anspricht, kann ich mich nicht einfach wegducken. Das will ich auch gar nicht. Gerade durch das Zuhören lerne ich sehr viel und das ist auch das Reizvolle an diesem Amt: die vielfältigen Themen und Aufgaben. Für einiges bin ich zwar nicht die richtige Adresse, aber ich verstehe, dass Menschen mich in meiner Funktion ansprechen. Also steige ich in die Themen ein, versuche Lösungen zu finden und erkläre ab und zu auch, warum und weshalb etwas so nicht möglich ist.
Starnberger Seeleben: Gibt diese Bodenhaftung Kraft oder verlangt es Kraft, so in der Öffentlichkeit zu stehen?
Stefan Frey: Sicher beides, aber ohne Bodenhaftung geht es nicht. Positives Feedback bestärkt immer. Gleichzeitig ist es aber auch Verpflichtung. Ich bin als Landrat kein Grußwortonkel, sondern muss mich tief in die Sachfragen einarbeiten, um fundiert Rede und Antwort stehen können. Dazu sind meine Verwaltungsausbildung und mein rechtlicher Hintergrund ein solides Fundament.
Starnberger Seeleben: In der Bundespolitik scheint es manchen genau daran zu mangeln …
Stefan Frey: Kommunalpolitik ist zwangsläufig direkter. Der Kontakt zu den Menschen ist näher, Dinge müssen gezielt vorangebracht werden.
Starnberger Seeleben: Sie haben das Amt des Landrats in einer Zeit übernommen, die von Schwierigkeiten geprägt war bzw. ist - Corona, Flüchtlingszustrom, Haushaltseinsparungen - im Rückblick von 2020 bis jetzt: was war das Schwierigste?
Stefan Frey: Die Coronakrise war wirklich herausfordernd. Den Ängsten der Menschen und ihrem Bedürfnis nach Sicherheit in dieser Zeit gerecht zu werden, das war äußerst schwierig. Ich erinnere mich noch gut, wie die Erleichterung bei der ersten großen Impfaktion am Landratsamt förmlich zu spüren war. Derzeit ist besonders schwierig, dass unsere finanziellen Spielräume immer enger werden. Wenn Buslinien gestrichen werden müssen, ist das schmerzlich.
Starnberger Seeleben: Einsparungen sind das große Thema in den Haushaltsdebatten des Kreises. Die überwiegende Zahl der Kommunen hat Probleme, die laufenden Ausgaben zu decken. Gleichzeitig attestiert die Gfk Marktforschung dem Landkreis Starnberg, der reichste in Deutschland zu sein. Was klemmt denn da im „Landkreis der Millionäre“, wie die Region klischeehaft von den Medien bezeichnet wird.
Stefan Frey: Das Klischee stimmt insofern, als dass unser Landkreis statistisch die höchste Millionärsdichte aufweist (22,9 Einkommensmillionäre je 10.000 Einwohner). Aber das gibt weder wieder, wie die restliche Bevölkerung situiert ist, noch fließen die Steuerabgaben dieser Spitze 1:1 in die kommunalen Haushalte. Das Privatvermögen von Einzelpersonen sagt nichts über die Finanzlage der Kommune aus, in der sie leben. Für die Kommunen ist die Gewerbesteuer die wesentlichste Einnahmequelle, und da sieht es - ob der dort angesiedelten Art und Anzahl an Unternehmen - in jeder Gemeinde anders aus. Generell ist bei den gewachsenen Aufgaben, die Bund und Länder an die Kommunen delegieren, längst mehr finanzielle Unterstützung erforderlich. Die kommunale Finanzierung muss völlig neu gedacht werden.
Starnberger Seeleben: Sparmaßnahmen, Steuern, Flüchtlings- und Energiedebatten; Unsicherheit und Unmut der Menschen nehmen zu. Wieviel davon wird bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern abgeladen?
Stefan Frey: Die offene und ehrliche Kommunikation mit den Menschen ist gerade in schwierigen Zeiten besonders wichtig. Wenn man klar und plausibel Zusammenhänge erklärt,verstehen das die meisten. Die Menschen haben schon ein gutes Gefühl dafür, was machbar ist und was nicht. Wir bemühen uns immer Lösungen zu finden und Antworten, die niemand im Unklaren lassen. Wenn etwas nicht so geht, wie gewünscht, dann bleiben wir dran - jede/r hat ein Anrecht darauf, dass wir sein Anliegen ernst nehmen und diesem so gut es geht gerecht werden.
Starnberger Seeleben: Aber insgesamt wirkt es doch so, als hätten Familien, Dienstleister und kleine Unternehmen zunehmend mehr zu stemmen. Davon kommt nichts bei Ihnen an, keine Zunahme an Unmut?
Stefan Frey: Doch, wir merken natürlich auch, dass die Überforderung insgesamt wächst. In der Tendenz nimmt die Ungeduld zu und das Verständnis ab. Angesichts von Anzahl und Tempo, mit dem neue Gesetze, die sich teilweise gegenseitig widersprechen, erlassen werden, ist das auch kein Wunder. Bei uns beispielsweise hat die Flut an Vorschriften verschiedenster Ebenen - Bund, EU, Freistaat - immens zugenommen. Jeden Tag gehen drei, vier Rundschreiben mit neuen Programmen und Verwaltungsvorschriften ein. Dieser Bürokratie einerseits und den Anliegen von Bürgern und Bürgerinnen andererseits pragmatisch gerecht zu werden, fordert unsere Mitarbeitenden enorm.
Starnberger Seeleben: Nimmt auch die Anzahl der Sozialbetrugsdelikte - wie z.B. auch gefälschte Flüchtlings-Dokumente - zu? In Deutschland wird der jährliche Gesamt-Schaden auf über 100 Milliarden Euro geschätzt. Auch im Landkreis Starnberg ein Thema?
Stefan Frey: Ja, es kommt schon vor und ist tendenziell mehr geworden. Wobei die grundsätzliche Art des Sozialleistungssystems auf den Prüfstand gehört. Manches darin verleitet zu Missbrauch und dies wird auch genutzt.
Starnberger Seeleben: Gucken wir nochmal zurück auf Ihre bisherige Amtszeit. Gab es Momente, in denen Sie dachten: „Damit haben wir für den Landkreis gute Weichen für die Zukunft gestellt?“
Stefan Frey: Ja, da gab es einige. Im Bereich der Bildung zum Beispiel. Indem wir eine Heimat für die FOS gefunden haben und den Neubau des Gymnasiums auf den Weg bringen, sichern wir der Jungend im Landkreis Bildung auf hohem Niveau. Dann ist es uns gelungen, einen Schatz bisher ungenutzten Wohnraumpotenzials zu heben. Das gelang zur Flüchtlingsunterbringung, hat aber auch gezeigt, dass darüber hinaus Wohnungs-Leerstände vorhanden sind, die künftig z.B. von unseren Kliniken angemietet und für deren Mitarbeiter nutzbar gemacht werden können. Auch unter dem Aspekt der Personalsituation in den Kliniken ist das ein echtes Plus. Die Pflegeschule unserer Starnberger Kliniken konnten wir ausbauen. Fachkundige Beratung im Dschungel der Pflegeleistungen übernimmt unser neuer Pflegestützpunkt. Und gute Weichen haben wir auch mit der gesteigerten Wertschätzung für das Ehrenamt gestellt. Unsere Ansprechpartnerinnen für das Ehrenamt beraten gezielt und fachkundig, kümmern sich um die Ehrenamtskarte, zahlreiche Aktionen, die ehrenamtliches Engagement sichtbarmachen und anerkennen. Es ist wirklich bemerkenswert, wie viele Menschen sich hier unentgeltlich für die Gemeinschaft einsetzen.
Starnberger Seeleben: Wo wir gerade beim Positiven sind: worauf können wir uns in der Seeregion in diesem Sommer freuen?
Stefan Frey: In jedem Fall auf unser reiches Sport- und Kulturleben. Der Landkreislauf im Oktober ist immer ein Highlight, ebenso wie die große Sportler-Ehrung die heuer, dem zwei-Jahres-Rhythmus entsprechend, im April wieder ansteht. Aber schon davor gibt es jede Menge Konzerte, Musiktage und Ausstellungen, sowie zahlreiche Veranstaltungen von kleineren Bühnen im gesamten Landkreis, deren Vielfalt mich immer wieder begeistert. Wir sind ein mit Kreativität gesegneter Landkreis. Das drückt sich auch im alljährlichen Fünf Seen Filmfestival aus und wird jedes Jahr bei der Kulturpreisverleihung deutlich. Nicht zu vergessen sind auch die traditionellen Kulinarik-Events: die französische Woche und die Nacht der langen Tafeln.
Starnberger Seeleben: Und was davon ist Ihr Highlight?
Stefan Frey: Alles davon. Am meisten freue ich mich aber darauf, dabei die Menschen zu treffen, die das alles bewerkstelligen. Und auf den Kontakt mit allen, die daran teilnehmen und begeistert sind. Das stärkt das Miteinander und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.