Darin sind sich alle einig: Das Fünf Seen Filmfestival ist ein kulturelles „Flagship-Event“ mit Strahlkraft weit über Starnberg hinaus. Diese Qualität bei begrenzten Mitteln zu sichern, ist allerdings jedes Jahr eine Herausforderung. Im Vorjahr wünschte sich Festivalleiter Matthias Helwig verbindliche Förderzusagen über mehrere Jahre. Was ist aus diesem Wunsch geworden, wohin steuert die Filmwelt und was erwartet uns beim 19. fsff?
Starnberger Seeleben Im Nachgang zum letztjährigen Filmfestival gab es einige Unterstützungszusagen. Bedeutet das eine Entspannung für die Planungssicherheit und Zukunftsgestaltung des fsff?
Matthias Helwig Mit der zugesagten Unterstützung der Stadt und einiger zuverlässiger Förderer ging es dieses Jahr ganz gut. Aber die mehrjährige Sicherheit bleibt ein Wunsch und dementsprechend auch die Finanzierung jedes Jahr eine Herausforderung. Alle im Kulturbereich Tätigen kennen das.
Starnberger Seeleben Im letzten Jahr kündigten Sie Ihren sukzessiven Rückzug an. Wie weit ist die Stab-Übergabe vorangeschritten?
Matthias Helwig Sie läuft. Das Team leistet hervorragende Arbeit und die Verantwortung soll immer stärker auf andere übergehen. Federführend soll das in Zukunft jemand anders übernehmen.
Starnberger Seeleben Aber steht der Name Matthias Helwig nicht geradezu fürs fsff?
Matthias Helwig Ein Festival dieser Art und Größe kann immer nur eine Teamleistung sein. Wenn ich von Rückzug spreche, meine ich damit ja auch nicht völliges Verschwinden. Ich stelle mir für die Zukunft vor, in einer Beratungstätigkeit dabei zu bleiben. Zu helfen, wo das Team mich braucht.
Starnberger Seeleben Kino wurde schon oft totgesagt. Streamingdienste wie Netflix oder Amazon produzieren selbst sehr erfolgreich Filme und Serien für ihre Plattformen. Mit deutlich größeren Bildschirmen ist auch das heimische Filmerlebnis längst kinoähnlicher. Driftet Kino unaufhaltsam in eine immer engere Nische?
Matthias Helwig Kino hat immer schon Auf-und-Ab-Phasen erlebt. Aber es ist aus dem Kulturgeschehen nicht wegzudenken. Wie Konzerte, Theater, Lesungen ist es ein bleibender Stein im Mosaik der Kultur. Vielleicht wird es weniger, aber sterben wird es nie. Hier im Landkreis haben wir beispielsweise eine überdurchschnittliche Dichte an Kinobetrieben.
Starnberger Seeleben Apropos Zukunft: Welche Rolle spielt KI fürs Filmschaffen? Großer Gewinn durch die Erweiterung technischer Möglichkeiten - oder droht auch hier, wie bei Internet und Social media, „AI Slop“?
Matthias Helwig Die Bedrohung sehe ich eher nicht. Die Filme, die fürs Kino produziert werden, sind High-End Produkte. Und für die bietet KI eine Verbesserung der Möglichkeiten. Vor allem ist Filmproduktion aber Teamarbeit und lebt von menschlichem Spirit, von Kreativität und Zusammenarbeit.
Starnberger Seeleben Als Sie die Filme für das diesjährige Filmfestival ausgewählt haben, welche Stimmung und Tendenzen haben Sie in der Filmlandschaft festgestellt?
Matthias Helwig Na ja, wir leben in schwierigen Zeiten. Und in diesen gibt es immer einen Hang zum Eskapismus. Das drückt sich zum Beispiel in Komödien aus, in einem Wunsch nach Harmonie. Die Filme auf den verschiedenen Festivals sind insgesamt auch ein Spiegel, wie kreative Menschen, Filmschaffende, sich mit den Themen der Zeit auseinandersetzen. Dabei hat jede und jeder ein anderes Umfeld, einen anderen Alltag, eine andere politische Situation. Somit sind es völlig unterschiedliche Themen und Blickwinkel.
Starnberger Seeleben Welches Grundthema hat sich daraus für das diesjährige Festival herauskristallisiert? Welcher rote Faden?
Matthias Helwig Es steht unter dem Begriff „Realations“ und setzt genau an diesen unterschiedlichen Welten und Blickwinkeln an. Darum, dass jeder in einer eigenen Welt lebt und wir diese manchmal zu sehr auf uns zurechtschneiden. Wir leben in unserer Bubble und bestätigen die immer wieder. Mit den Filmen, die wir zeigen, gehen wir in andere Welten, in andere Realitäten, zu anderen Menschen. Es ist eine Einladung, das Fenster aufzumachen, rauszusehen - die eigene Bubble mal zu verlassen.
Starnberger Seeleben Das Thema „Klima“ scheint verschwunden zu sein?
Matthias Helwig Nicht das Thema. Lediglich die privat geförderte Klimareihe. Das Thema ist im Grund hinreichend erzählt, alle wissen, wie es um Ressourcen und den Planeten steht. Es taucht außerdem in vielen Filmen thematisch mit auf.
Starnberger Seeleben Die Verleihung des Fünf Seen Filmpreises und des Publikumspreises finden erstmals im Gautinger Breitwandkino statt - wegen konzeptioneller oder pragmatischer Gründe?
Matthias Helwig (lacht) Gut bemerkt. Sowohl als auch. Es ist eine Mischung aus Wertschätzung und Pragmatismus. Zum einen wollen wir die schönen Orte des Festivals wieder verdienter ins Spiel bringen. Wie zum Beispiel auch Seefeld, wo ein Fokus in diesem Jahr auch wieder auf dem Open-air liegt. Für die Preisverleihungen bietet Gauting mit dem Foyer eine wertige, großzügige Location. Und dann gibt es tatsächlich pragmatische Faktoren, wie Erreichbarkeit, Gästelogistik und Verfügbarkeit. Die Schlossberghalle war zu einem unserer Termine leider bereits belegt.
Starnberger Seeleben Eine Woche Filmfest ist eine limitierte Zeit und aus über 100 Filmen etwas auszuwählen ist eine echte Herausforderung. Wenn sich jemand für 3 Vorführungen entscheiden muss, welche legen Sie ihm ans Herz?
Matthias Helwig, antwortet ohne Zögern Schwer und gemein, sich auf drei Filme festlegen zu müssen. Wer für die Eröffnungsfeier keine Karten kriegt, sollte sich HALF MOON anschauen, der parallel im Breitwandkino in Starnberg läuft und von einem syrischen Klarinettisten handelt, und der Frage, welche Bedeutung Musik, bzw. Kunst überhaupt, in den Zeiten von Kriegen hat. Als zweites würde ich zur Verleihung des Hannelore Elsner Preises an Leonie Bennesch gehen, wo HELDIN gezeigt wird. Und als drittes würde ich THE SETTLEMENT empfehlen, eine beeindruckende Geschichte über zwei Brüder und deren Schicksal in Ägypten.
Starnberger Seeleben Last but not least: seit Anbeginn des fsff gab es kein Jahr ohne „Alexis Sorbas“. Ist er eine Art „signature Film“ fürs Festival?
Matthias Helwig Vielleicht nicht unbedingt fürs Festival. Aber in Sorbas und Basil, den Hauptfiguren des Films, stecken beide Seiten von mir: der eher zögerliche, grübelnde Schriftsteller und der impulsive Lebenskünstler, der nicht anders kann als zu lachen und zu tanzen, wenn am Ende die Seilbahn zusammenkracht.